HSV: Glatzel, Meffert & Co. - Die Unaufsteigbaren sind aufgestiegen
Der HSV hat es im siebten Zweitliga-Jahr geschafft: Der einstige Bundesliga-Dino kehrt in die Beletage des deutschen Fußballs zurück - und das mit einigen Spielern, die in Hamburg nach vielen gescheiterten Versuchen über die Jahre beinahe schon als unaufsteigbar galten.
Es gab diesen Moment nach dem 4:0 in Darmstadt am 32. Spieltag, da kamen die HSV-Akteure nach dem Feiern mit den Fans in den Spielertunnel des Stadions am Böllenfalltor. Sportvorstand Stefan Kuntz wartete dort und umarmte insbesondere Mittelfeldspieler Jonas Meffert lang und innig. Fast schon so, als wären die Hamburger bereits in diesem Moment aufgestiegen.
Waren sie natürlich noch nicht. Und selbstverständlich waren die Szenen, als die Rückkehr in die Bundesliga nach der Partie gegen den SSV Ulm 1846 endgültig feststand, noch ausgelassener, wilder, gelöster. Und doch wussten sowohl Kuntz als auch Meffert in diesem Moment in Darmstadt, dass sie mit dem souveränen Auftritt bei den Hessen einen ganz wichtigen Schritt gegangenen waren. Dass das Team von Trainer Merlin Polzin in dieser Partie dem enormen Druck standgehalten hatte. Ein Spiel gezogen hatte, das es in der Vergangenheit allzu oft nicht gewonnen hatte.
"Es freut mich, das ganz viele Spieler den Makel los sind, dass sie nicht aufsteigen können. Da freue ich mich mit jedem wie Bolle." HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz
Kuntz umarmte in diesem Moment mit Meffert aber nicht nur einen der Führungsspieler, sondern auch einen der Akteure, die in Hamburg nach den zahlreichen gescheiterten Aufstiegsversuchen der vergangenen Jahre schon fast als unaufsteigbar gelten mussten.
Aufstiegsjubel nach vielen sportlichen Traumata
Das Scheitern in der Relegation gegen Hertha BSC 2022, als im Volksparkstadion nach dem 1:0-Erfolg im Hinspiel in Berlin alles für eine Party bereitet war, die dann nie stattfand - Meffert war dabei. Der Platzsturm von Sandhausen 2023, als alle beim HSV kurz glaubten, sie seien aufgestiegen, ehe Heidenheim in Regensburg doch noch traf - Meffert, der einst schon mit Karlsruhe und Kiel in der Relegation gescheitert war, musste wieder erleben, wie andere jubeln. So wie viele andere Spieler auch, die die Raute auf der Brust tragen.
Lange Liste der "Unaufsteigbaren"
In allen Jahren war das Verpassen des Aufstiegs - speziell gegen vermeintlich "kleinere" Gegner - zunächst eines: durch schlechte Leistungen in entscheidenden Momenten selbst verschuldet. In manchen aber kam eben durchaus auch Pech dazu, das - wie in Sandhausen - zur Tragik gereichte. Egal wie die Nicht-Aufstiege zustande kamen, sie produzierten unweigerlich Narben und sportliche Traumata, mit denen es zu leben galt - und trotz derer es immer wieder einen neuen Anlauf zu nehmen galt.
Die Liste derer, die diesen immergleichen Kreislauf aus Hoffnung und verpassten Chancen, Fehlern und Fahrlässigkeit, Enttäuschung und Trauer durchlebten, die es auf die eine oder andere Art nicht schafften, mit dem HSV aufzusteigen, ist über die Jahre durchaus lang geworden: neben Meffert unter anderem Kapitän Sebastian Schonlau, Co-Captain Ludovit Reis, Torjäger Robert Glatzel, Linksverteidiger Miro Muheim oder Torhüter Daniel Heuer Fernandes.
Schonlau, Glatzel, Meffert und Heuer Fernandes haben in ihren Laufbahnen schon (kurz) Bundesliga-Erfahrung gesammelt, in Hamburg aber waren auch sie Teil der Achse der Unaufsteigbaren. Bis jetzt.
Name | Position | Beim HSV seit | Verpasste Aufstiege mit dem HSV |
---|---|---|---|
Merlin Polzin | Trainer/Co-Trainer | 06.07.2020 | 4 (als Co-Trainer) |
Daniel Heuer Fenandes | Torwart | 01.07.2019 | 5 |
Sebastian Schonlau | Innenverteidiger | 01.07.2021 | 3 |
Miro Muheim | Linksverteidiger | 01.07.2022 | 2 |
Jonas Meffert | Defensives Mittelfeld | 01.07.2021 | 3 |
Ludovit Reis | Offensives Mittelfeld | 01.07.2021 | 3 |
Jean-Luc Dompé | Linsaußen | 18.08.2022 | 2 |
Ransford-Yeboah Königsdörffer | Mittelstürmer | 01.07.2022 | 2 |
Robert Glatzel | Mittelstürmer | 01.07.2021 | 3 |
Viele HSV-Spieler ernteten Kritik
Über die Jahre wurden Meffert, Schonlau, Glatzel und Co. oft belächelt; wurde ihnen die Fähigkeit mehr und mehr abgesprochen, aufsteigen zu können; ernteten sie dafür Kritik, dass sie nicht in der Lage waren, den letzten Schritt zu gehen; wurde moniert, dass ihnen dafür die Mentalität, ja, der dafür nötige Punch, vielleicht auch die nötige Resilienz fehle. Manches davon mussten sie sich zurecht anhören, manches davon war überzogen.
Der Bundesliga-Aufstieg ist also auch ein später Sieg für diese HSV-Spieler, die als Gesichter für einen Club standen, der immer nur scheiterte - sei es an anderen oder an sich selbst.
Polzins entwickelte Siegermentalität
Es ist aber auch ein Erfolg für Coach Polzin, der als Co-Trainer in zweiter Reihe viele der Pleiten, Pech und Pannen der Vergangenheit miterlebte und, selbst wenn nicht federführend, doch auch mitzuverantworten hatte.
Polzin und viele seiner Spieler haben nun den Beweis angetreten, dass ein Verein, der jahrelang quasi ein Abonnement aufs Scheitern hatte, aus sich selbst heraus eine Siegermentalität entwickeln kann. Den Narben und Traumata der Vergangenheit zum Trotz.
Denn auch wenn es noch des Sieges gegen Ulm bedurfte. Es war das, was die Umarmung von Kuntz und Meffert an jenem 3. Mai im Spielertunnel in Darmstadt bereits ausdrückte. Nach zuvor drei sieglosen Partien war das innige Drücken ein Statement an alle: "Wir können es doch!" Die Unaufsteigbaren des HSV sind Aufsteiger - auch weil sie am Böllenfalltor den rechnerisch vorletzten, mental aber den wichtigsten Schritt gegangen waren.
